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Wo die wilden Wiener wohnen


Freitagvormittag, die Regierung hat weitere Maßnahmen wegen der Corona-Krise angekündigt. In einen Supermarkt in Wien-Liesing spielt sich folgende Szene ab: ein Kunde türmt Lebensmittel in seinem Einkaufswagen auf, so als wolle er eine Schutzmauer aus Spaghetti, Dosenthunfisch und Leberaufstrich bauen. Gerade nimmt er die letzte Packung Nudeln aus dem Regal, bevor ein zweiter Mann mit fast leerem Einkaufswagen zugreifen kann.


„Heast, gib ma doch ein Packerl ab“

„Schleich di, du Trottel"


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Der Mann mit dem leeren Wagen greift sich daraufhin eine Packung vom Lebensmittelturm aus dem Wagen des anderen. Die Umstehenden halten den Atem an, es ist wie bei einer Partie Jenga mit bunten Kartonverpackungen. Für einen kurzen Moment glauben wir, dass der Turm in sich zusammenbrechen und die beiden Streitenden unter sich begraben wird. Stattdessen schlägt der eine Mann dem anderen ins Gesicht. Eine Prügelei bricht aus, über eine Packung Spaghetti n.5.


Corona hält uns den Spiegel vor, wie wir mit den immer noch minimalen Einschränkungen in unserem Alltag umgehen - minimal im Vergleich zu dem, was viele andere Menschen ganz ohne Corona durchmachen müssen. Vielleicht können wir diese Krise als Chance nutzen, um mehr Verständnis aufzubringen. Wir verlieren schon wegen einem Tag jede Fassung, an dem die Mitarbeiter der Supermärkte nicht mit dem Nachschlichten nachkommen. Das könnte jenen einen Denkanstoß geben, die normalerweise vorm Computer sitzen und belustigte Kommentare über Flüchtlinge posten, die sich doch bitte nicht so aufführen sollen wegen dem bisschen Krieg in ihrer Heimat.


Liebe Supermarktketten: bitte gewährt jedem eurer Mitarbeiter, der jetzt gerade Dienst versieht, nach dem Ende der Pandemie zwei Wochen bezahlten Sonderurlaub. Mit all den zusätzlich verkauften Sugogläsern und Dosensuppen sollte das doch drinnen sein. Liebe Ärzte und Krankenpfleger, ihr seid Helden und Heldinnen. Und ihr liebe Wiener, die das Glück haben, nicht direkt an der Front eingeteilt zu sein: teilt die Nudeln mit euren Nachbarn, helft euren Mitmenschen, bleibt poetisch, ruhig, und ansonsten zuhause.

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